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22 Oktober 2011

Die Zeit: Gadhafi und der Zynismus des Westens

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Die Kosten der Öl-abhängigkeit - der Westen verursacht Blutbad um Blutbad.

Libyen Das zynische Gerede von den Menschenrechten

Diktator Gadhafi hatte die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Vor allem aber hat er den Zynismus des Westens unterschätzt. Ein Kommentar
Muammar al-Gadhafi ist im Namen der Menschenrechte erlegt worden wie ein Tier. Das sollte man nicht vergessen, jetzt, da in Libyen sein Ende gefeiert wird. Es steht uns nicht an, die zur Schau getragene Freude siegreicher Libyer zu kommentieren. Doch reden sollte man über die Nato. Ohne sie hätten die Rebellen Gadhafi wahrscheinlich nicht zur Strecke bringen können. Die Nato handelte offiziell im Namen der Menschenrechte – jedenfalls war das die völkerrechtliche Grundlage der Intervention.

Bis zum Schluss diente sie als Luftwaffe der Rebellen. Sie beteiligte sich mit ihren Kampfbombern an der wochenlangen Belagerung der Stadt Sirte, in der Gadhafi jetzt gestorben ist. Womöglich war sie auch am letzten Akt des Dramas beteiligt. Eine Drohne soll den Konvoi Gadhafis bombardiert haben, und dadurch erst seine Gefangennahme möglich gemacht haben.

Wir wissen es nicht.  Aber eines ist klar: dass die Nato ein entscheidender Teil dieser libyschen Jagdgesellschaft war, allen voran stellvertretend der Franzose Nicolas Sarkozy und der Brite David Cameron. Wie diese Menschenjagd mit den Menschenrechten zu vereinbaren ist, das bleibt ein Rätsel, an dem selbst die spitzfindigsten Juristen sich die Zähne ausbeißen werden.

Die "humanitäre Intervention" hat durch die Intervention in Libyen einen bleibenden Schaden gekommen. Wenn nämlich in Zukunft wieder davon die Rede sein sollte, werden uns die Bilder des erlegten Diktators Gadhafi in den Sinn kommen. Und diese Bilder tragen eine überraschende Wahrheit in sich: Die selbst ernannten Menschenrechtler können ganz schön grausam sein.

Es ist deshalb Zeit, sich von der Menschenrechtsrhetorik zu befreien. Sie vernebelt nur die Zusammenhänge. Gadhafi ist gestürzt worden, weil er die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat, vor allem aber, weil er den Zynismus des Westens unterschätzt hat.
Gestern noch war Gadhafi von Nicolas Sarkozy mit allem Pomp empfangen worden, heute blies eben dieser Sarkozy zur Jagd auf den Libyer. Die Menschenrechte waren die willkommene Legitimation, um diese Geschichte zu Ende zu bringen. Mit Gadhafi ist ein Kumpane getötet worden, der nicht mehr im Spiel war.

Diese Botschaft wird übrigens in Syrien, in Bahrein, in Saudi-Arabien und im Iran sehr wohl vernommen werden. Alle autoritären Herrscher – Freunde oder Feinde des Westens – werden sich jetzt tiefer eingraben. Wenn sie das Wort Menschenrechte hören, dann werden sie sofort die Waffe durchladen – noch entschlossener als vorher.


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USA und Nato ermorden Muammar Gaddafi

Von Bill Van Auken
22. Oktober 2011

Die brutale Ermordung des entmachteten libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi am Donnerstag zeigt den kriminellen Charakter des Krieges, den die USA und die Nato in den vergangenen acht Monaten geführt haben.

Die Hinrichtung folgte auf die mehr als einmonatige Belagerung der Küstenstadt Sirte, Gaddafis Heimatstadt und eine der Hochburgen seines Regimes. Bei dem Angriff auf die Stadt mit 100.000 Einwohnern wurde nahezu jedes einzelne Gebäude zerstört und zahllose Zivilisten getötet, verwundet oder sind erkrankt, weil es an Nahrung, Wasser, medizinischer Versorgung und anderen grundlegenden Gütern fehlte.

Gaddafi war scheinbar in einem Fahrzeugkonvoi unterwegs, der aus der Belagerung ausbrechen wollte, nachdem die letzte Bastion des Widerstandes gegen die von der Nato unterstützten „Rebellen" gefallen war. Nato-Kampfflugzeuge griffen den Konvoi am Donnerstagmorgen um 8:30 an, wodurch einige Fahrzeuge in Brand gerieten und er nicht mehr weiterkam. Dann schlugen die bewaffneten „Widerstandskämpfer" zu.

Der Tod von Gaddafi scheint Teil eines größeren Massakers gewesen zu sein, bei dem unter anderem auch seine beiden höchsten Berater, bewaffnete Anhänger und zwei seiner Söhne, Mo'tassim und Saif al-Islam getötet wurden.

Einzelheiten über die Ermordung sind noch etwas verworren, aber Fotos und Handy-Videos, die die „Rebellen" veröffentlichten, zeigen eindeutig einen verwundeten Gaddafi, der sich gegen die Kämpfer, die ihn gefangen haben, wehrt und schreit. Dann wird seine nackte, leblose und blutüberströmte Leiche gezeigt. Es sieht so aus, dass der ehemalige libysche Staatschef zuerst verwundet wurde, vielleicht durch die Luftangriffe, und dann lebend gefangen und hingerichtet wurde. Ein Bild zeigt ihn mit einem Einschussloch im Kopf.

Danach wurde Gaddafis Leiche nach Misrata gebracht, wo er angeblich durch die Straßen gezerrt und schließlich in einer Moschee abgelegt wurde.

Der Verbleib der Leiche ist insoweit politisch bedeutend, als dass sie von einer Miliz aus Misrata in ihren Besitz gebracht wurde, die eigenständig vorgeht und nicht dem Nationalen Übergangsrat (TNC) in Bengasi untersteht, den Washington und die Nato zur „alleinigen rechtmäßigen Vertretung" des libyschen Volkes erhoben haben.

Präsident Obama nannte dieses grässliche Ereignis bei einer Rede im Rosengarten des Weißen Hauses am Donnerstag den „Beginn eines neuen, demokratischen Libyens." In Wirklichkeit enthüllt es nur die Konfliktlinien zwischen Regionen und Stämmen, die sich auf einen langen Bürgerkrieg vorbereiten.

Sowohl die USA als auch Frankreich beanspruchen, eine wichtige Rolle bei Gaddafis Ermordung gespielt zu haben. Das Pentagon erklärte am Donnerstag, dass eine amerikanische Predator-Drohne eine Hellfire-Rakete auf den Konvoi des ehemaligen Staatschefs abgefeuert hatte; der französische Verteidigungsminister behauptete, französische Kampfflugzeuge hätten ihn bombardiert.

Die USA und die Nato haben zahlreiche Luftangriffe auf Gaddafis Amtssitz in Tripolis und andere Wohnungen, in denen sie in vermuteten, geflogen, seit im März der brutale Luftkrieg gegen Libyen begonnen hatte. Bei einem dieser Angriffe Ende April wurden sein jüngster Sohn und drei Enkel getötet.

Washington hat für die Suche nach Gaddafi Überwachungsflugzeuge und eine große Anzahl von Drohnen gestellt. Auch amerikanische, britische und französische Geheimagenten, Spezialeinheiten und „private Sicherheitsfirmen" beteiligten sich an dieser Menschenjagd.

Nur zwei Tage vor Gaddafis Ermordung war US-Außenministerin Hillary Clinton in einem schwerbewaffneten Militärflugzeug zu einem unangekündigten Besuch in Tripolis eingetroffen. Dort erhob sie die Forderung, Gaddafi „tot oder lebendig" zu finden.

Laut Associated Press erklärte Clinton „in ungewöhnlich offener Weise, dass es den Vereinigten Staaten am liebsten wäre, der Ex-Diktator wäre tot."

„Wir hoffen, er wird bald gefasst oder getötet, damit Ihr keine Angst mehr vor ihm haben müsst," sagte Clinton vor einem Publikum aus Studenten und anderen bei einer Art Bürgerversammlung in der Hauptstadt.

AP schrieb weiter: „Bisher haben es die Vereinigten Staaten vermieden, zu sagen, dass Gaddafi sterben müsse."

In Wirklichkeit jedoch verfolgt Washington unverhohlen eine Politik staatlicher Morde. In diesem Fall haben sie offen dazu aufgerufen und alle Ressourcen bereitgestellt, um die Ermordung eines Staatschefs zu erleichtern, mit dem sie in den vergangenen acht Jahren enge politische und wirtschaftliche Beziehungen aufgebaut hatten.

In Misrata wurde die misshandelte Leiche von Gaddafis Sohn Mo'tassim, der ebenfalls lebend gefangen und hingerichtet wurde, öffentlich zur Schau gestellt. Noch im April 2009 wurde er im US-Außenministerium von Hillary Clinton willkommen geheißen.

Bei seiner Rede im Rosengarten brüstete sich Obama damit, dass seine Regierung al-Qaida-Führer „ausgeschaltet habe", und hörte sich dabei an wie ein Mafiapate, nur nicht so charmant. Die jüngsten Opfer dieser Morde sind zwei US-Staatsbürger: Im letzten Monat Anwar Awlaki, ein moslemischer Geistlicher jemenitischer Herkunft, gebürtig aus Arizona; und zwei Wochen später sein sechzehnjähriger Sohn Abdulrahman, geboren in Denver. Beide standen auf einer „Todesliste", die ein geheimer Unterausschuss des Nationalen Sicherheitsrates erstellt hatte. Sie wurden mit Hellfire-Raketen ermordet. Abdulrahman wurde zusammen mit seinem siebzehnjährigen Cousin und sieben Freunden, die gerade beim Abendessen saßen, in Stücke gerissen.

Die Ermordung von Gaddafi ist der Höhepunkt eines verbrecherischen Krieges, durch den zahllose Libyer getötet und das Land größtenteils zerstört wurde. Der Vorwand dafür war der Schutz der Zivilbevölkerung, die Grundlage erfundene Unterstellungen, Gaddafi plane eine Belagerung der ostlibyschen Stadt Bengasi, um Tausende Widerstandskämpfer zu töten. Der Krieg endete mit der von der Nato organisierten Belagerung von Sirte, um den Widerstand gegen die „Rebellen" zu unterdrücken, wobei Tausende getötet und verwundet wurden.

Von Anfang an war das Ziel des Krieges die Re-Kolonialisierung von Nordafrika im Namen der amerikanischen, britischen, französischen, italienischen und niederländischen Ölinteressen.

In den vergangenen Jahren war Gaddafi zwar auf die USA, Großbritannien, Frankreich und anderen westlichen Mächte zugegangen, hatte Ölverträge, Rüstungsabkommen und andere Vereinbarungen geschlossen, aber der US-Imperialismus und seine europäischen Rivalen sahen in seinem Regime immer noch ein Hindernis für ihre Ziele in der Region.

Eine der größten Sorgen von Washington, London und Paris waren die zunehmenden chinesischen und russischen Wirtschaftsinteressen in Libyen und allgemein in Afrika. China hat 6,6 Milliarden Dollar in den bilateralen Handel gesteckt, hauptsächlich mit Öl, und etwa 30.000 chinesische Arbeiter arbeiteten an zahlreichen Infrastrukturprojekten. Russland hat inzwischen große Ölhandelsabkommen geschlossen, sowie milliardenschwere Rüstungsabkommen und ein Projekt im Wert von drei Milliarden Dollar für den Bau einer Bahnverbindung zwischen Sirte und Bengasi. Es gab auch Gespräche darüber, für die russische Marine einen Hafen bei Bengasi einzurichten.

Gaddafi hatte durch seinen Widerstand gegen die Pläne von Nicolas Sarkozy zur Gründung einer Mittelmeerunion, durch die Frankreich wieder Einfluss über seine ehemaligen Kolonien zurückgewinnen wollte, dessen Zorn erregt.

Außerdem waren amerikanische und westeuropäische Energiekonzerne zunehmend erbost über die als hart empfundenen Vertragsbedingungen der Gaddafi-Regierung und deren Drohung, der russischen Gasprom einen Großteil der Förderrechte für die Ölvorkommen des Landes zu gewähren.

Zu diesen wirtschaftlichen und geostrategischen Motiven kamen auch politische Faktoren. Durch Gaddafis Wende zu engeren Beziehungen mit dem Westen konnten Washington und Paris Elemente in seinem Regime heranzüchten, die bereit waren, bei einer imperialistischen Übernahme des Landes mitzuspielen. Dazu gehören Personen wie Mustafa Abdul Jalil, Gaddafis ehemaliger Justizminister und heute Vorsitzender des Nationalen Übergangsrates, und Mahmud Jibril, der ehemalige Wirtschaftsbeauftragte, der jetzt Kabinettschef ist.

Durch die Massenerhebungen in Tunesien und Ägypten – Libyens westliche und östliche Nachbarstaaten – sahen die USA und ihre Verbündeten in der Nato die Gelegenheit, einen Plan auszuführen, den sie seit einiger Zeit entwickelt hatten, um in Libyen einen Regimewechsel herbeizuführen. Durch Agenten im Land konnten sie die Kontrolle über die Proteste gegen Gaddafi erlangen und einen bewaffneten Konflikt schüren.

Um sich auf die direkte imperialistische Übernahme vorzubereiten, folgten sie einem bekannten Muster: Der Staatschef wurde zum Bösewicht erklärt und es wurde die Idee verbreitet, dass nur eine Intervention von außen die unschuldige Zivilbevölkerung vor einem drohenden Massaker schützen könne.

Die angeblich bevorstehende Zerstörung von Bengasi wurde genutzt, um die Unterstützung einer ganzen Reihe von Exlinken, Liberalen, Akademikern und Menschenrechtsaktivisten für den Krieg zu gewinnen. Diese verliehen der imperialistischen Aggression und dem Morden auch moralisches und intellektuelles Gewicht.

Leute wie der Professor für die Geschichte des Nahen Ostens, Juan Cole, der die Bush-Regierung noch für die Invasion im Irak leicht kritisiert hatte, wurden begeisterte Befürworter der „humanitären" Mission des Pentagons und der Nato in Libyen. Vertreter der oberen Mittelschicht sind zur neuen Anhängerschaft des Imperialismus geworden und haben sich damit politisch und moralisch vollkommen diskreditiert. Sie störten sich nicht an der Unrechtmäßigkeit des ganzen Unternehmens und den wachsenden Beweisen für Morde und Folterungen von Einwanderern und schwarzen Libyern durch die „Rebellen."

Ihre Versuche, den Regimewechsel in Libyen als Revolution des Volkes darzustellen, werden jeden Tag unglaubwürdiger. Das instabile Marionettenregime, das in Bengasi und Tripolis aufgebaut wird, wurde durch gnadenlose, massive Nato-Luftangriffe, Mord und die ungenierte Verletzung internationalen Rechts an die Macht gebracht.

Libyen ist eine Warnung an die Welt: Jedes Regime, das den US-Interessen im Weg steht, sich mit den Großkonzernen anlegt, oder nicht nach der Pfeife der Nato-Mächte tanzt, kann mit militärischen Mitteln gestürzt und seine Führer ermordet werden.

Die US-Medien, die das Blutbad in Sirte auf ekelhafte Weise feierten, drängen die Nato bereits dazu, in Syrien genauso zu intervenieren. Clinton warnte am Donnerstag die pakistanische Führung, dass es sie „teuer zu stehen kommen werde", wenn sie den amerikanischen Krieg in Afghanistan nicht mehr unterstützen würde.

Es besteht kein Zweifel, dass weitere Kriege geplant sind, die noch katastrophalere Folgen zeitigen werden. Die Obama-Regierung hat dem Iran bereits erklärt, dass sie sich als Reaktion auf das erfundene Mordkomplott gegen den saudischen Botschafter in Washington „alle Optionen offenhalte." Und da die Intervention in Libyen auch teilweise zum Ziel hatte, den Einfluss von Russland und China in der Region und der Welt zu begrenzen, könnten auch China und Russland als zukünftige Ziele gelten.

Die brutalen Ereignisse in Libyen und die wirtschaftlichen Motive, die dahinter stecken, sind eine weitere Lehre über den wahren Charakter des Imperialismus. Durch die Krise des Weltkapitalismus droht wieder einmal ein Weltkrieg. Die Arbeiterklasse kann dieser Bedrohung nur etwas entgegensetzen, wenn sie ihre politische Kraft unabhängig mobilisiert und sich wieder mit dem Programm der sozialistischen Weltrevolution bewaffnet, um das Profitsystem, und damit die Ursache für Militarismus, abzuschaffen.